Wenn Stefan Erbe ein neues Musikprojekt beginnt, stehen der musikalische Fortschritt und die eigene konzeptionelle Weiterentwicklung als wesentliche Aspekte im Vordergrund. Sich dabei von den vorherigen Arbeiten zu lösen gehört genauso dazu, wie die kreativen Sinne wieder auf Null zu setzen, einen anderen Blickwinkel zu zulassen und sich von bisherigen Produktionsweisen zu lösen.
Um sich an die Klassiker vergangene Jahrhunderte zu wagen, bedarf es der eigenen Überzeugung sowie die Auseinandersetzung mit den eigenen musikalischen Fähigkeiten und man kratzt damit an dem beinahe-Blasphemie-gleichen-Verhalten, etwas zu modifizieren, was zumindest viele Klassik-Liebhaber als eine Sünde betrachten. Erbes Verbindung von elektronischer- und klassischer Musik hat dabei aber wirklich etwas Neues, denn sie besteht nicht aus einer schlichten Interpretation, sondern vielmehr aus der Symbiose zweier Genres. Es ist nicht nur sein Sound oder die synthetisierte Emotionalität, es ist auch die notierte Erweiterung und das Wagnis, der Musik etwas hinzuzufügen. Erbe traut sich Noten zu verändern, Melodien zu vergrößern und ganze Bereiche neu zu definieren. Aber auch eigene Kompositionen gesellen sich zu den Präludien und Suiten, inspiriert von den Ideen, den Geschichten und dem Leben von Claude Debussy.
Stefan Erbes musikalischer Charakter findet sich auf seinem aktuellen Album wieder. Seine Art und Weise Melodien, drumatische Elemente und ein komplexes Song-Thema zu vereinen, geschieht intuitiv und ist das Resultat eines 15monatigen Produktionsprozesses. Erbe macht die Stücke zu seinen Tracks, verneigt sich aber immer vor den Originalen und offeriert keine musikalische Kopie. Er erzeugt etwas Individuelles, mal mit einfachem Noten-Gerüst, mal als Schwarzweiß-Druck, welcher eine andere Farbe erhält oder auch mal basierend auf einem Original-Satz, der als Grundlage für eine neue Kurzgeschichte herhalten muss. Dabei bleibt das Vordergründige immer die Komposition und nicht der einfache Klang.
Der gewählte Spannungsbogen des Albums erzählt die Geschichte ununterbrochen, vorausgesetzt der Musikempfänger nimmt sich die 67 Minuten seiner Zeit und lässt sich auf die akustische Vereinigung ein. Ein möglicher Vergleich zum Genre-Genie Isao Tomita liegt auf der Hand, aber etwas ist anders und fällt bereits nach ein paar Takten auf. Erbes Philosophie der vermengten Synergie ist nicht ausschließlich eine Form der Instrumentierung, es ist vielmehr das Ziel musikalisch zu expandieren, auch wenn dies mit einer Reduktion entstehen kann. Die Ernsthaftigkeit von Selectronique Debussy ist das Argument, dass auch nicht Elektronik-Fans etwas Besonderes erleben können, sollten die eigenen Vorurteile eine mögliche Distanz nicht unüberwindbar machen lassen. Kann synthetische Musik dem Original gerecht werden? Sie kann, wenn sie die Möglichkeit bekommt, sich von ihrem Image zu lösen. Typischerweise neigt man dazu, etwas Neugewonnenes zu klassifizieren. Vielleicht nennen wir es Klassik-Ambient oder Neo-Klassik. Doch egal welche Bezeichnung am Trefflichsten ist, eine gute Geschichte kann sowohl gezeichnet, geschrieben oder erzählt werden, es spielt letztendlich keine Rolle, denn eine gute Geschichte ist sie so oder so.
Tracklist / Total 67 Minuten
01 Memories of childrens corner
02 Arabesque
03 The little shepherd
04 The girl with the flaxen hair
05 Passepied
06 Le temps perdu
07 Beau soir
08 The snow is dancing
09 Golliwoggs cake walk
10 Moment de paix
11 Reverie
12 Oriental
13 Sunken cathedral
14 Clair de lune
15 Prelude suite de bergamesque
16 Dr gradus ad parnassum