Ein erstes Anzeichen für die anhaltend hohe Fan-Akzeptanz war im Jahr 2013 der Zuspruch zum sehr variablen Album Method, dass erneut für eine weitere Ära Erbscher Kompositionskünste stehen würde. Jeder der 13 Tracks besitzt eine inovative Besonderheit und wohl nicht umsonst wurde es zum besten Album des Jahres der Schallwelle-Wahlen gekürt. Method gehört sicherlich zu den wichtigsten Alben die ich gemacht habe und steht in einer Reihe mit Light of Sirius, Intermediate und dem 2020er Album Nachtlichter.Es hat eben dieses Besondere was man nicht beschreiben, sondern (vielleicht) nur hören kann. Aber auch die richtige Trackreihenfolge zu wählen ist und war eine Eigenschaft die mir half, den richtigen Spannungsbogen zu erzeugen. Ich investierte schon immer viel Zeit in das Sichtbare einer CD, lies mir bei Method aber noch mehr Spielraum für das Cover und fürs finale Mischen. Diese "Methodik" war dann auch Namensgeber für das Projekt und stellte nahezu perfekt das aktuelle Erbe-Musik-Prinzip in den Mittelpunkt. Method ist durchaus kommerziell und besitzt weniger traditionelle Aspekte. Ich finde die Bezeichnung "Synthetical" sehr treffend und möchte hier Albrecht Piltz (ehem. Keyboard Rezenseur) benennen, der diesen Begriff verwendete und (bleibt noch zu ermitteln) wohl auch erfand. Es umschreibt idealerweise die Verbindung aus elektronischer Musik mit fluffigen Beats, eingebettet in leicht sequenzierten und melodiösen Elementen. Neben Cloudcontrol, dem dritten Wunderwerk, What a perfect Day sticht besonders New York noch hervor, dass eine remixte Version des ersten Carpenter Klapperschlangen-Maintheme ist.
Ein Jahr später erschien Legacies. 2014 war das erste echte Jubiläum, dass durchaus ein Best-of Album verdient gehabt hätte. Ich habe es dann aber anders "gefeiert" und mir darüber Gedanken gemacht, wie wohl ein Erbe Album vor exakt 20 Jahren mit den technischen Möglichkeiten von 2014 geklungen hätte. Meine Umsetzung der Kompositionen waren also virtuell zurückgeschraubt worden und ich sezierte die Stücke nach den Arbeitsweisen der ersten Alben. Natürlich klang das Ergebnis anders als Cosmic Dreamland und Light of Sirius, aber es klang auch anders als Method und die Alben die ich davor gemacht habe. Es war natürlich eine Herausforderung die Messlatte nach Method hoch zu halten und ein gutes Album aus Legacies zu machen. Die Stücke sind in ihrer Machart direkter und reduzierter geworden und beziehen ihre Spannung auch aus den verschiedenen Klangkonstrasten. Der Remix zu Sound of Sky wurde als Bonus hinzugefügt. Alle anderen Tracks stehen dagegen für 20 Jahre musikalische Rückbetrachtung, aber erneut nicht als Best-of.
2014 gab es neben der eigenen Albenproduktion, noch eine exklusive historische Note. Erstmals kooperierten Steve Baltes und ich gemeinschaftlich auf der Bühne. Es entstand im Rahmen der Bochumer Sound of Sky-Shows ein erster magischer Live-Moment und uns beiden war sofort klar, dass die Bündelung der beidseitigen Fähigkeiten nicht nur Potential hatte, sondern die Geburtsstunde eines neuen großen Elektronik-Projektes sein würde. Ich war es in der Vergangenheit, bis auf ein paar kleinere Ausnahmen, nicht gewohnt meine musikalische Ideen zu teilen oder sogar nochmal in andere Hände zugeben. Steve allerdings hat diese Gabe jeden Track und die Idee dahinter, nochmal besser zu machen und ihn so zu verändern, dass der Song ein völlig neues Gewand bekam. Ich denke diese Synergie hat uns beide nachhaltig verändert und neben der gewonnenen Freundschaft, auch musikalische Elemente ergänzt, die keiner von uns beiden allein hinbekommen würde. Anders als bei meinen Soloalben, verabreden wir uns alle 2-3 Jahre um ein neues Projekt zu starten. Ich hoffe sehr, dass wir in 2021 etwas Neues beginnen werden können.
Die Arbeitsweise aus den gemeinsamen Live-Events haben beinahe unbemerkt auch meine eigenen Möglichkeiten erweitert. Hatte ich sonst eher ganz klassisch DAW-Sequenzergerecht produziert, würde ich nun auch mehr und mehr Live-Arrangements erzeugen, die notiert-unbearbeitet 1 zu 1 den Weg auf die nächsten Alben finden würden. Tatsächlich ist dies erstmalig auf der zweiten Club Genetica im Jahr 2015 zu hören. Viele der eingespielten Solis fallen in dieses Herstellungsmuster und haben eine ähnliche Stimmung wie das erste Baltes-Erbe Produkt mit Namen S-thetic². Das Titelstück des B&E Album habe ich dann auch in den ersten Original-Version auf die 2CG veröffentlicht und beschreibt o.g. Prinzip beider Musikprojekte auf eine sehr nachvollziehbare Weise. 2Club Genetica ist keine direkte Fortsetzung des ersten CG Albums. Es ist eher die Namensfortführung zu Tracks die irgendwie alle zu synthetisch hergestellten Fluiden und Stoffen passten. Ich dachte schon nach dem ersten fertig gestellten Stück an bläulich iluminierten Fluoreszenzen, die man in einem futuresken Club, mitternächtlich an seltsame Kreaturen ausgeben würde. Der finale Soundtrack passte ganz eindeutig. Die Tracks haben einen durchgängig swingenden Sound und verfolgen den Gedanken, sich in einem sehr lässigen Beat von A nach B zu bewegen. Hydrogenetica gehört neben dem vierten Wunderwerk, sowie Move it und dem S-thetic-Bonus wohl zu den markantesten Hits. Aber auch auf dieser CD passte alles ineinander, auch wenn sich so mancher Berlin-School-Liebhaber vielleicht noch ein paar mehr Retrotunes gewünscht hätte. Es ist eben wieder ein echtes Erbe-Synthetical geworden.
Das zeitlich aufwendigste und wohl aufreibenste Projekt meiner bisherigen Musikkarriere ist das 2016er Album Selectronique Debussy. Mehr als 16 Monate hatte ich daran gearbeitet und wundere mich noch immer, dass es überhaupt fertig werden konnte. Der Trigger, ein ganzes Album nur mit Debussy Interpretationen zu machen, kam durch eine externe Anfrage. Erstmalig hatte ich mich dazu hinreissen lassen, ein Album für ein externes Label bzw. Vertriebsweg zu produzieren und entwarf schon in 2015 erste Ideen. Mein Auftraggeber versprach viel und konnte aber letztendlich die Vertriebs-Erwartungen nicht erfüllen, die mich hätten davon überzeugen können, die Kompositionen aus der Hand zu geben. Nach Eingang eines mässigen Entwurfes eines möglichen Platten-Deals, hatte ich entschieden, die Musik bei mir zu belassen und wie gewohnt über das eigene Label zu distributieren. Never change a running System dachte ich. Wie wahr, denn auch dieses Musikkonzept ist aufgegangen. SD ist eine Mischung aus Interpretation, ergänzendem Arrangement und inspirierender Neukomposition. Die Musik ist recht anspruchsvoll und bleibt notiert sehr nah am Original. Das hatte zur Folge, dass die Musikstrukturen natürlich völlig anders waren, als bei den üblichen Erbe-Veröffentlichungen.Um aber einen sinnvollen Spannungsbogen herzustellen, wurden die Tracks recht unterschiedlich instrumentiert und sind oft voller Detailfülle. Dies verlangt nach intensiver Hörintensität und dem Konzept, das Album mehrfach zu erfahren. Claude Debussys Stücke sind traumhaft schön und boten eine umwerfende Option an manigfaltiger Interpretation.
Zusätzliche Erbe-Kompositionen ergänzten die Debussy-Arrangements sehr kontrastreich und brachten einige ungewohnte Klanggebilde zu Tage. Ich bin sicher, dass dieses Album die Erbe-Jünger auf eine Probe gestellt hat. Es ist eben kein typisches Erbe-Album, aber es hat eine Qualität die mich mit Stolz erfüllt. Ich bin mir auch sicher, dass es nicht so viele Elektronik-Künstler geben wird, die so ein Projekt umsetzen würden können. Es ist ganz anders als Tomita, William Orbit oder Schiller, die ihre Projekte der Klassik-Umsetzung viel direkter umgesetzt haben. Selectronic Debussy verwendet Klänge und Sounds die die Original-Notierung deutlich verändern. Wo ein Klavier im Ursprung einen Part bespielt, verwendete ich einen ambienten Sound, einen gefilterte Fläche oder etwas anderes Abstraktes. Die Kompositionen erhielten damit völlig neue Schwerpunkte. Als Beispiel ist hier the Sunken Cathedral zu nennen, dass in seiner neuen ambienten Form den Untergang und die umschliessenden Wasserwelten sehr eindrucksvoll verbindet. Womöglich werden orchestrierte Klassikliebhaber hier die Nase rümpfen und der traditionalistische Sequenzer-Fan zu wenig EM-Raster vernehmen, aber es ist eben für mich ein völlig neuer und sehr geistreicher Umgang gewesen. Es gibt meiner Meinung keine echte Musikschublade für diese CD und seiner Musik. Wer darin eintauchen will, sollte sich von allen Mustern und Vorgaben der Klassik vorab lösen. Möglicherweise ist Selectronique Debussy (m)ein Meisterwerk und ich werde noch ein wenig Zeit brauchen, um es auch selbst so ganz zu verstehen.
Ach ja (hatten wir das nicht auch schon in vol2), da war ja auch noch ein neuerliches Free Download Album. The Freedom of Movement ist das alljährliche Geschenk, ungehörtes und unveröffentlichtes ins weite Rund zu schicken. Etwas zu unbeachtet wie ich im Nachhinein finde. Aber das liegt sicher auch am Aktionsradius meines Schaffens und der Tatsache, dass es manchmal vielleicht doch zu viel Output im Erbe-Universum auf einmal gibt. Auf der TFOM sind auch zwei Stücke anderer Compilationen. Zum einen das tolle Into Sunrise (Schallwende Schallplatte) und only one Step, dass auch auf einem B&E Album zu finden ist. Ansonsten, keine Ursache und wie immer gern geschehen!
Schon lange hatte ich mich nicht mehr mit den astronomischen Dingen musikalisch beschäftigt, was ich dann endlich in 2017 nachholen würde. Allerdings gab es nur die Idee des Konzeptes und keinen echtes astronomisches Ereignis. Viel mehr inspirierte mich die Idee eine Reise durchs All von einem synthetischen und nicht realen Charakter begleiten zu lassen.GENE würde sie heißen und ein paar selektive Stimmungen für das Album hinzufügen. Aber nur soviel, dass das Kopfkino genügend eigenes Vorstellungs-Material erzeugen würde. Somit bezieht sich der Name auch nur indirekt auf die Entstehungsgeschichte, sondern viel mehr auf das System GENE eben GENE SYS. Die Geschichte bietet aber trotzdem viel Spielraum für eigene Interpretationen und offeriert eine Basis, sich auf die eigene musikalische Reise an den Rand des Universums zu begeben. Das darauf trotzdem ein kleiner roter Faden zu finden ist, hilft dabei die Trackstimmungen aufzufangen. Die Musik ist Space-Sound-Erbe-IDM, um es in vier Wörtern zu beschreiben. Knackig und kurzweilig. Equivocal ist EM der heutigen Zeit und All the Stars ist meine griechische Verneigung vor einem (m)einer Vorbilder. Wenn auch mit typischen Erbe-Beilagen. Die Geschichte zu "Jiensis" (so wirds richtig gesprochen) ist durchgängig und ein typisches Erbe-Stilmittel.
Immer wieder mal holt einen die musikalische Vergangenheit ein und man schaut zumeist emotional zurück. So auch bei dem Album Light of Sirius. Ersthörer von heute werden den Spirit des Album sicherlich nicht mehr so vereinnahmen können, wie der Premierenkonsument aus der damaligen Zeit. Es spielt halt schon eine Rolle, wann hat man was zum ersten mal gehört und erlebt. In der Betrachtung zu vol. 1 dieser Best of Serie hatte ich schon über die Produktionsfehler der damaligen Zeit referiert. Somit trug ich immer diesen Makel des schlechten Masterings in mir und entschied nun doch nochmal Hand anzulegen. Nur das Remastern der Original-Aufnahmen stand im Raum und keine neuen Arrangements. Ausserdem hatte ich noch 3 Tracks gefunden, die genau aus dieser Zeit stammten und mich irgendwie darum baten, doch noch den Weg auf ein Album zu finden. Gesagt, getan.Die Best-of Stücke von LOS sind auf der Selectronisch volume 1 zu finden.
Das letzte Album, dass ich nun final beleuchten möchte ist Reflect. Es entstand Ende 2018 und Anfang 2019. Der Prozess des Fertigstellens war hier eher fliessend, hatte ich schon 2018 die Digitale Version produziert, so reifte der Entschluss die physikalische CD etwas aufzupimpen und ihr noch 3 weitere Songs zu gönnen. Reflect ist thematisch sehr ambitioniert und vereint die Umsetzung umweltrelevanter Themen und menschlich gemachter Probleme und deren Abgründe. Der Gedanke sich und seine Vorstellung in seine Musik zu reflektieren, offerierte einige Ansatzpunkte. Die Musik auf Reflect ist durchaus eckig und kantig, verwendet oft Stilmittel die direkt sind und einen härteren Beat beinhalten. The Child of Aleppo war der erste Track des Albums. Er entstand zu einer Zeit, als die Welt in den nahen Osten schaute und sich immer wieder fragen lassen musste, warum lässt die Menschheit soviel Leid zu. Die TV-Doku Die Kinder von Aleppo erzählte die Geschichten verschiedener Kinder und ihr unglaubliches Leben. Für mich war der Anlass meine Gedanken zu streuen und zu versuchen, meine Reflektionen tonal zu verarbeiten. Reflect ist in der Reihe der letzten Alben ein Album mit Symbolcharakter. Alle Tracks hatten immer erst eine thematische Idee und dann entstand erst die Musik. Diese Arbeitsweise bildete widerum einen echten Kontrast zu den vorherigen Veröffentlichungen und hinterlässt ein einmaliges Album. Tracks hervorzuheben um sie auf ein Best of Album zu verwenden, war echt schwierig, da jedes Stück Musik etwas tolles geworden war.
An dieser Stelle endet mein Rückblick und ich lasse bewusst das Jahr 2020 aussen vor. Die letzten Alben sind einfach noch zu frisch, um sie auf ein Best-of Album zu berücksichtigen. Ich denke, dass sie dann der Beginn einer neuerlichen Retrospektive in 2028 sein werden können. Ich verspreche Euch weiterhin aktiv zu bleiben und das Erbe-Universum weiter musikalisch zu erforschen. Es würde mich freuen, wenn ihr mich dabei begleiten werdet.
Achja, warum nicht Wunderwerke. Es steht immer noch in Planung ein ganzes Wunderwerke-Album zu machen. Und dann sollte es ja auch so heißen ;)
Auch Selectronisch vol.3 ist kostenlos und kann bis auf weiteres frei heruntergeladen werden. Einige von Euch nutzten bereits den angebotenen Donate-Button. Vielen Dank dafür. Es ist natürlich eine Wertschätzung für meine investierte Arbeit, aber vielmehr der Beweis, dass Musik nicht nur einen ideologischen Wert besitzt. Ebenso freue ich mich über das zahlreiche Feedback und den Zuspruch zu dieser Triologie. Hier gibt es Teil 1 und Teil 2.
Herzlich
Stefan Erbe
05.01.2021
01 Daystarter 2014 / Legacies
02 Cloudcontrol 2013 / Method
03 Equivocal 2017 / GENESYS
04 The girl with the flaxen hair 2016 / Selectronique Debussy
05 The child of aleppo 2018-2019 / Reflect
06 All the stars 2017 / GENESYS
07 Hydrogenetica 2015 / 2Club Genetica
08 Wunderwerk 3 2013 / Method
09 Here comes the news 2018 / Reflect
10 Into sunrise 2016 / The freedom of Movement
11 This city never sleeps 2014 / Legacies
12 Le temps perdu 2015 / Selectronique Debussy
13 New York 2013 / Method
14 S-thetic (Original Edit) 2015 / 2Club Genetica
15 Dr gradus ad parnassum 2015 / Selectronique Debussy
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